500 JAHRE HANDELSRICHTER
500 Jahre europäische Handelsgerichtsbarkeit
Frankfurt. Am 17. März jährt sich zum 500. Mal der Tag, an dem die europäische Handelsgerichtsbarkeit aus der Taufe gehoben worden ist. Ihr Erfinder, Kaiser Maximilian I, legte 1508 in seinem Edikt zur Konstituierung des Nürnberger Bankoamtes als erstem deutschen Kaufmannsgericht fest, „…dass überhaupt niemand geschickter ist, die obengemeldeten Gebrechen der Kaufleut und Kaufmannshändel zu entscheiden als die verständigen Kaufleut.“
Der ebenso hochgebildete wie pragmatische Habsburger, der u.a. auch die Entwicklung einer deutschen Schriftsprache initiierte und für sein Herrscherhaus die legendäre Erkenntnis durchsetzte, dass Heirat der Expansion des Reiches dienlicher sei als Krieg, begründete damit ein seitdem erfolgreiches System der Handelsgerichtsbarkeit. Auch dieses geht von der Vermeidbarkeit kraftzehrender Kriege aus, etwa jener zwischen Gutachter-Heeren. Der Kaiser hatte sich damit auf länger schon erfolgreiche Praktiken oberitalienischer Stadtstaaten als Vorbild gestützt. Unter dem Einfluss der Hanse und später auch französischem Recht gewann die Praxis Gestalt, wenngleich sie in verschiedenen europäischen Staaten in unterschiedlichen Varianten funktioniert.
Der ehrenamtliche Handelsrichter ist nicht wie z.B. ein Schöffe oder ein Geschworener Laie, sondern ein – beispielsweise in Deutschland vom Justizministerium für fünf Jahre berufener – Fachrichter, der in seiner beruflichen Kompetenz den rechtsgelehrten Berufsrichter unterstützt. Beider Zusammenwirken befähigt den jeweiligen Senat bzw. Kammern für Handelssachen, wie die Spruchkörper auch genannt werden, zu haltbaren Entscheidungen ohne ausufernde Gutachterkosten und Berufungen. So konnte sich die allseits akzeptierte Handelsgerichtsbarkeit in all diesen Ländern über die Jahrhunderte bewähren.
Die nationalen Verbände der Handelsrichter arbeiten international in der Union Européene des Magistrats statuant en matière commerciale (UEMC) eng zusammen. Dieser ist beim Europarat und bei der Europäischen Kommission akkreditiert.
Hintergrundinformation
Das am 17. März 1508 von Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation Maximilian I erlassene Edikt zur Konstituierung des Nürnberger Bankoamtes hat in mehreren europäischen Ländern bis zum heutigen Tag Gültigkeit. Die Handelsgerichtsbarkeit entwickelte und festigte sich, wenn auch in länderunterschiedlichen Formen, als Sondergerichtsbarkeit kontinuierlich. Der besondere Vorzug dieser Gerichte besteht darin, dass die Richterbanken mit beruflichen und ehrenamtlichen oder nebenberuflichen Handelsrichtern besetzt sind. In Frankreich (ausgenommen Elsaß, Lothringen, Mosel) bestehen die Richterbanken ausschließlich aus ehrenamtlichen Handelsrichtern.
Berufung oder Wahl
Handelsrichter nehmen unter den ehrenamtlichen Richtern, wie sie z.B. in der Straf-, Finanz-, Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit tätig sind, eine herausgehobene Stellung ein. Im Gegensatz zu diesen ehrenamtlichen Richtern, Geschworenen oder Schöffen sind sie keine Laien-, sondern Fachrichter.
Wie wird man ehrenamtlicher, oder, wie in der Schweiz genannt, nebenberuflicher Handelsrichter? Stellvertretend soll hier das Auswahlverfahren von Deutschland genannt sein: Handelsrichter kann gemäß Gerichtsverfassungsgesetz werden, wer mindestens 30 Jahre alt ist, selbständiger Kaufmann, Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer einer jur. Person oder vergleichbare, gleichwertige Tätigkeit als Prokurist ausübt und in das Handels- bzw. Genossenschaftsregister (hauptberuflich) eingetragen ist. Nur solche Personen können auf gutachterlichen Vorschlag der Industrie- und Handelskammer durch das Justizministerium für fünf Jahre ernannt bzw. wiederernannt werden. In der Schweiz werden Berufs-, wie auch nebenberufliche Handelsrichter durch ein jeweils zuständiges Wahlgremium gewählt.
Der Vorteil eines speziellen Spruchkörpers für Handelssachen liegt auf der Hand: Die vereinten Kompetenzen, nämlich das Wissen des rechtsgelehrten Berufsrichters, gepaart mit dem kaufmännischen Sachverstand des Fachrichters, garantieren ein hohes Maß an sachgemäßer Urteilsfällung. Dabei kommt der fachspezifischen Kenntnis des Fachrichters zur Wahrheitsfindung besondere Bedeutung zu. Meistens kann auf zeitraubende und kostenintensive Einholung von Gutachten verzichtet werden. Außerdem ist eine allseitige Urteilsakzeptanz die Regel. All dies führt zu einer hohen Effizienz in einer Kammer für Handelssachen oder einem Senat, wie die Spruchkörper auch genannt werden, sei es in erster oder zweiter Instanz.
Dies muss Kaiser Maximilian schon vor 500 Jahren erkannt haben. Deshalb sind bis zum heutigen Tag Handelnde, die ihren „Händel“ nicht mehr unter sich ausmachen können, gut beraten, wenn sie ihr Recht bei einem Handelsgericht suchen.
Französischer Einfluss
Die Handelsgerichtsbarkeit entwickelte sich im Lauf ihrer Geschichte stetig weiter und stellte sich den ständig wachsenden Anforderungen der Handelsvorschriften und Verflechtungen. Während der frühe italienische Einfluß zurückging und mit der deutschen Hanse auch deren Handelsrecht verfiel, verstärkte sich der französische Einfluß. Nach der handelsrechtlichen Kodifikation von König Ludwig XIV, der Ordonnance du commerce von 1673 und der Ordonnance de la marine von 1681, folgte im Jahr 1807 Napoleons Code de commerce. Dieses Gesetzbuch wurde auch in Belgien, Holland, Luxemburg, Polen und einigen Gebieten Deutschlands eingeführt und zeitweise angewendet.
„Deutsches System“
In Nürnberg entstand 1804 erstmals ein Handelsgericht, besetzt mit einem Berufs- und zwei Fachrichtern. Hamburg folgte im Jahr 1815. Diese Besetzung nannte man „Deutsches System“, weil die französischen Handelsgerichte, wie bis zum heutigen Tag, ausschließlich mit Kaufleuten besetzt waren. In Österreich begann im Jahre 1809 und im zweiten Anlauf 1842 eine Wiener Hofkommission mit der Ausarbeitung eines österreichischen Handelsgesetzes, das allerdings ohne gesetzlichen Niederschlag blieb. Erst 1857 wurden in Nürnberg die österreichischen Entwürfe in die Beratungen eingebracht und 1862 als österreichisches Landesgesetz eingeführt.
Europäische Wirkung
Wirtschaftlich ist Europa längst Realität. Eine harmonisierte Gesetzgebung wäre wünschenswert: erklärtermaßen auch aus Sicht des europäischen Verbandes der Handelsrichter, der Union Européene des Magistrats statuant en matière commerciale (UEMC), der in den politischen Gremien Europas aktiv mitwirkt, damit auch in den nächsten Jahrhunderten das Edikt des Kaisers Maximilian gültig bleiben wird.
Dipl.-Ing. Dieter KUNZLER, 08.03.2008
Handelsrichter am Landgericht Frankfurt am Main
Vizepräsident Bundesverband der Richter in Handelssachen (BdRiH)
Generalsekretär Union Europeenne des Magistrats statuant en matiere commerciale